Leseprobe aus dem dritten Band der Buchreihe "Seemannsschicksale"
Gerd Peters
seit 28.07.2002
Ein Beitrag aus Band 3 der gelben Buchreihe "Zeitzeugen des Alltags" von Jürgen Ruszkowski
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Neulich hab ich beim Stöbern einen Koffer und einen Karton voll mit Dias, Filmen, Postkarten, Prospekten und Zeitungsausschnitten wieder gefunden: Relikte der Seefahrt aus den 1950er und 60er Jahren. Sie fielen seiner Zeit unter den Bannstrahl meiner Frau (mit der ich damals schon zusammen war), weil sie Angst hatte, dass unsere beiden Söhne auch Interesse an der Seefahrt finden könnten, wenn sie davon zu viel erzählt bekämen. Später fehlte mir die Zeit und vor allem die Muße, mich an diese Sammlungen zu erinnern. Auch heute noch, wenn wir mit Bekannten und Verwandten aus der Seefahrtbranche zusammen kommen, wird mir vorher die gelbe Karte gezeigt und die drohende Bitte geäußert: „Pack ja nicht wieder die Werkzeugkiste aus!“ Mir fallen dann spontan einige Treffen ein, wo nicht über Seefahrt gesprochen wurde. Aber ich bekenne freimütig: Leicht ist es mir nicht immer gefallen. Denn das Erleben bei der Seefahrt oder auch sonst im Beruf ist schon allein wegen der zeitlichen Länge gegenüber dem Familienleben während der Schaffensjahre intensiv und prägend. Also, wo, wenn nicht unter Kollegen kann man sich ausreichend an die berufsbezogene Vergangenheit erinnern? Nur noch beim Stöbern in alten Unterlagen. Und das Erzählen davon ist eine Art „oral history“, irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit.
Seefahrt, das waren vor allem Lehrjahre, in denen man Verständnis für Fremde, deren Können und vor allem deren Unzulänglichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes erfahren musste.Man erinnert sich mit einem Schmunzeln, auch wenn einem damals überhaupt nicht zum Lachen zumute war.Und Neptun möge mir vergeben, wenn ich heute nicht mehr alles so erinnere, wie es damals war.
Ich war Maschinenschlosserlehrling bei „Boilermaker & Co“, einige sagten auch despektierlich „Buddel & Lutscher“, sprich Bartels & Lüders.Da ich schon etwas älter war, hatte ich daher Gelegenheit, ein Reparaturschiff von England mit zu holen: Kolbendampfmaschine, Kohlenfeuer.Der Zustand lässt sich am besten dadurch beschreiben, dass beim Anwärmen der Dampf schon aus dem Mitteldruckframe kam.Aber ich will nicht über die Arbeit klagen – und auch nicht über Kopfschmerzen und Magenverdrehung – denn ich lernte hier das Grundwissen des Kohleheizens.Dieses konnte ich nicht nur beim Maschinenkurs, abends bei Opa Oldenburg und anderen verwenden, sondern vor allem auf meinem ersten Schiff als Assi.
Ich hatte am Freitagmittag die mündliche Prüfung in der Gewerbeschule bestanden, wanderte nach Erhalt des Assischeins bei Herrn Scharfenberg in der Ingenieurschule Richtung Lehrfirma durch die Stadt, und da ich vor wenigen Tagen auf der BETEIGEUZE gearbeitet hatte, schaute ich bei der Orion Schifffahrtsgesellschaft Reith & Co. in der Rosenstraße vorbei, um nach einem Dampfer zu fragen, denn mindestens sechs Monate Dampferfahrzeit waren vorgeschrieben.Montagmorgen könnte ich in Rotterdam auf der BELLATRIX einsteigen, wenn mich denn B & L noch 14 Tage vor Ablauf meiner vertraglichen Lehrzeit laufen lassen würde.Sie ließen!Das Seefahrtbuch gab es damals noch auf dem „Stall“ im „weißen Haus“, dem heutigen Hotel „Hafen Hamburg“ und die Gesundheitskarte im Zippelhaus.Beide Dokumente hatte ich schon.
Mit dem damals üblichen Kurswagen (Sonntagabend kurz vor 24 Uhr ab Hamburg, Montagmorgen gegen 7 Uhr Rotterdam) kam ich mit schwerem Koffer (damals musste ich noch eigenes Bettzeug mitbringen) und einem bereits befahrenen Kollegen am Zielort an: Straßenbahn, Spido, Frans Swartouw – Vaalhaven.
Der Empfang an Bord durch den Chief war herzlich und bestimmt: „Wo hast du gelernt? Dann kannst du nach dem Mittagessen in der Wendekammer Rohre walzen!“ Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass wegen starker Wasserverluste und einem völlig heruntergefahrenen Verdampfer der Mittelkessel zur Speisewasserzeugung genutzt wurde.Ich hatte also eine gute Lehrstelle – ein Arbeitsschiff – erwischt.
Ich kam beim 2. Ing. auf 4/8-Wache, damit ich vormittags zutörnen konnte.Als mich wenige Wochen später Hans Edwin Reith fragte, ob ich Pauschale oder Einzelüberstunden bezahlt haben wolle, und ich mich für letzteres entschied, hatte ich mir eine große Sparbüchse eröffnet.
Gute Ratgeber hatten mir empfohlen, mich als „Unteroffizier“ nicht von den Heizern, insbesondere vom Oberheizer rumkommandieren zu lassen.Bubi Witt war zwar nicht groß, aber untersetzt und ein unbestrittener Herrscher im Heizraum.Der 2. Ing. ging jedenfalls nicht ohne vorherige freundliche Anfrage „ob er dürfe“ in den Heizraum.Die Tagesform war dort entscheidend.Ich war ja noch nicht vorbelastet, ich durfte. Bereits während meiner zweiten Seewache rief Bubi mich in den Heizraum.Seltsamerweise waren alle Heizer und Trimmer anwesend, was mich aufmerksam machte, ohne mir etwas anmerken zu lassen.Er zeigte mir, wie man ein Feuer sauber macht und sparte nicht mit guten Ratschlägen.Er konnte ja nicht wissen, dass ich schon einige Griffe kannte.Dann kam der eigentliche Grund.„So, das hast du nun gesehen!Jetzt machst du das nächste Feuer sauber – und das jede Wache für mich, damit du das lernst und damit du kräftiger wirst!“Zugegeben, ich war immer eher schmal, aber zäh.Bubis Art duldete keinen Widerspruch, aber ich wollte mich nicht unterwerfen.Ich fing also an, das gewünschte Feuer zu reinigen.Bubi stellte sich neben mich, um mich zu beobachten.Körperlich war ich zwar hoch gewachsen, aber ein Hänfling gegen ihn.Dennoch erinnerte ich mich an frühere Selbstverteidigungsübungen.Eine schnelle Drehung, Ausnutzung der Hebelkräfte, und Bubi saß zwischen den glühenden Schlacken.Ich konnte ihm noch wieder aufhelfen, eine Entschuldigung murmeln und ihn vor versammelter Heizraummannschaft anbrüllen, dass er seine und ich meine Arbeit machen müsse.Dann zog ich es vor, den Platz zu wechseln.
Noch zwei Reisen hatten wir Kohlefeuerung, dann wurde auf Ölfeuerung umgebaut. Bubi Witt und einige andere wechselten, weil sie keine Ölheizer waren. Aber bis dahin sind wir sehr gut miteinander ausgekommen. Und ich habe viel von ihnen gelernt. Auch die zweite Prüfung, Kampftrinken in der Heizermesse, konnte ich damals noch erfolgreich überstehen. Als drohender Schnack mit hintergründigem Lachen blieb dann nur: „- oder wollen wir das Faustrecht proklamieren?“
Heute kann sich keiner solchen Einstieg ins Seefahrerleben mehr vorstellen. Mein Handeln ist mir schwergefallen, aber es war zur Erlangung und Erhaltung der Autorität unter den gegebenen Umständen überlebenswichtig.
Klok sünd se all – plietsch mutt man sien
Der Dampfer BELLATRIX war jetzt umgebaut auf Ölfeuerung. Und damit kam in den Heizraum eine völlig neue Besatzung. Die ‚reinen’ Kohlenheizer und Trimmer (oder Kohlenzieher) mit ihren Eigenarten gingen, und es kamen Heizer mit, wie sie behaupteten, Ölerfahrung. Aber originelle Typen waren auch sie. Es gab unter ihnen nicht nur, wie bei den Kohleheizern auch, die ‚normalen’ – aber was ist bei den Seefahrern schon normal? – sondern auch die skurrilen. Der Heizerberuf war wohl zu allen Zeiten ein Auffangberuf für Menschen mit besonderen Eigenarten. Vielleicht waren die Kohlenheizer etwas gröber. Jedenfalls waren die Eigenarten der neuen Leute teilweise feiner. Ja, wer es nicht erlebt hat, wird den Unterschied auch nicht spüren. Ich werde deshalb weitere Begebenheiten schildern und die Eigenarten der Beteiligten zur Kennzeichnung der Originale, die sie waren, beschreiben.
In der Werft war noch reichlich Fluktuation. Nur der Oberheizer, der Donkeyman, Charly Voges, war von Anfang an dabei. Er war auch noch an Bord, als ich (einer der beiden Assis) mehr als ein Jahr später abmustern musste, um noch Motorerfahrung für den Schulbesuch zu sammeln. Charly Voges war ruhig, besonnen, etwas behäbig und ein zuverlässiger Donkeyman, also Nachtwachengänger im Hafen, denn auf diesem Schiff wurde zumindest einer der drei Kessel durchgängig betrieben, auch wenn kein Lade- und Löschbetrieb anstand. Er war früher schon auf diesem Schiff gefahren und hat mir viel über diese Zeit erzählt. Auch eine ganze Reihe Heizertricks habe ich von ihm erfahren. Und wenn ich etwas ausprobieren wollte, hat er mir geholfen. In meinen Augen war er gütig und ehrlich, kurz: Ich hätte ihn als Opa annehmen können. Auf See wechselte er in die 8/12-Wache, zu der auch ich bei dem neuen Chief, der auch schon früher auf diesem Schiff Dienst getan hatte, eingeteilt wurde. Die beiden kannten sich also.
Dann kam noch einer, dessen Name mir entfallen ist. Ein quirliger Typ, der mehrere Sprachen beherrschte, aber mit einem Schalkblick in eine dröhnige Handlungsweise mit zugehörigem Ostpreußendialekt fallen konnte. Wenn er etwas nicht tun wollte, oder wenn er Spaß haben wollte, dann stellte er sich dusselig und verfiel in diesen breiten Jargon: „Das ham wer auf de Prejeldampfer vun Allnstein nach Inschterburg alln nich jehabt. Wenn der Damp just war, war da een jriene Lamp, sonst een roode. Abbä hier“ – und mit traurigem Blick auf die Manometer – „de vielen Uhren. De eene schteht uff halb neine, de annere uff dreeviertel zwee. – Man weeß jar ooch nich.“ Er war ein Schlitzohr erster Klasse und konnte seine Unlust so herzerfrischend ostpreußisch vorführen, dass man ihm lachend nicht böse sein konnte. Wir nannten ihn ‚Antek’ oder ‚Erbarmung’ oder sonst wie passend. Aber sein richtiger Name will mir trotzdem nicht einfallen.
Der dritte im Bunde kam völlig ohne Gepäck an. Ein Kerl wie ein Baum mit Händen wie Ballastschaufeln oder Klosettdeckel. Seine Holzschuhe kennzeichneten ihn als ehemaligen Kohlenheizer. Aber der dunkle Anzug über der Athletenstaude machte ihn eher wie einen Bediensteten eines Beerdigungsinstituts aussehen. Sein Schweißtuch hatte er sich als Schmucktuch in die Brusttasche eingesteckt, und dahinter konnte man die Reste einer Zahnbürste erkennen. Er war offensichtlich völlig abgebrannt.
Ich stand gerade mit dem Chief vor der Kombüse an Deck, als er kam. Freundlich stellte er sich dem Chief vor und beantwortete alle Fragen nach dem Woher usw. ohne Umschweife, betonte aber, dass er keine schwere Arbeit (wie z.B. ‚Kurbel kloppen’) machen könne. Für seine Figur könne er nichts. Er sei gelernter Tapezierer, was vor allem wegen seiner Hände etwas verwunderlich war. Es dauerte denn auch nicht lange, bis es kleinlaut herauskam: Er war angelernter Landstraßentapezierer, also Straßenbauer oder Steinsetzer gewesen. Er war sehr ruhig in seinen Bewegungen, machte aber alle Arbeiten mit Verstand. Er war zu gebrauchen. Bei uns hieß er Heizer-Joe.
Warum schildere ich die Charaktere? Weil sie, oder einer von ihnen, eine raffinierte Idee hatten und sie umsetzten, ohne dass es sonst jemand merkte.
Bei dem Umbau auf Ölfeuerung wurden die Kohlenbunker ja nicht mehr benötigt. Und Öl nimmt auch noch weniger Platz bei gleicher Heizleistung ein. Wir erhielten zwei Deeptanks und zwei Hochtanks jeweils aus den Seitenbunkern. Das Sparedeck (fast alle sagen aber nur Sparrdeck) wurde frei, und es gab noch einen schmalen Hohlraum zwischen den beiden Hochtanks auf halber Höhe mit dem einzigen Einstieg vom Heizraum. In diesem, sagen wir Locker, fanden wir eine 8“-Rohrleitung von Tankwand zu Tankwand mit einem Schieber in der Mitte. In den Plänen war aber keine Verbindungsleitung vorgesehen. Da auch kein Pumpenanschluss vorhanden war, gab mir der Chief daher Order, vorsichtig den Schieber auszubauen, um zu sehen, ob die Leitung in den Hochtanks weitergeführt sei, oder ob die beiden Hochtanks nur einfach damit verbunden waren, denn dann könnte es eine Ausgleichs- oder Überlaufleitung sein.
Die Verblüffung war allerdings groß, als sich nach Ausbau des Schiebers auf beiden Seiten nur eine Holzscheibe vom Rohrdurchmesser am Band herausziehen ließ und die Tankwände unversehrt waren. Das ideale Schmuggelversteck! Aber es stand kein Name dabei.
So sind die Heizer. Klok sünd se all, aber plietsch mutt man sien!
Der Lebenslauf des Erzählers:
Gerd Peters (Baujahr 1934) ist nicht nur ‚gebürtiger’ Hamburger, sondern sogar ‚geborener’, d. h. auch seine Eltern erblickten schon in Hamburg das Licht der Welt. Er wuchs im Stadtteil Eimsbüttel auf, ging aber schon mit drei Jahren auf eigene Faust auf Entdeckungstouren. Zweisprachig - plattdeutsch und hochdeutsch - ging es in der Familie zu. „Inhaltlich gut, stilistisch stellenweise unmöglich“, stand meistens unter seinen Aufsätzen. Deshalb übt er auch heute noch in beiden Sprachen.
Verschiedene Gründe hinderten ihn daran, seinen ersten Berufswunsch (Gewerbelehrer im Chemiefach) zu verwirklichen. So begann er, obwohl der Berufseignungstest "völlig ungeeignet für technische Berufe" ergeben hatte, eine Maschinenschlosserlehre bei Barthels & Lüders auf Steinwärder (heute mit e), um Schiffsingenieur zu werden. Dieses war einer der wenigen Berufe, der es ermöglichte, das Studium selbst zu finanzieren.
Nach nicht ganz drei Jahren schloss er die Lehre in der Schiffsreparatur, Maschinenfabrik, Kupferschmiede, Kesselschmiede und Rohrleitungsbau mit gutem Ergebnis ab und fuhr als Assi bei der Orion zur See. Auf dem Dampfer BELLATRIX wäre er gern länger als 16 Monate geblieben, aber es fehlte für den Schulbesuch noch Motorfahrzeit. Zwischenfahrzeit auf MS BERLIN, Bauaufsicht und Garantiezeit auf MS CAROLA REITH schlossen sich an.
Da er für den Schulbesuch zwar die Bedingungen erfüllte, wegen des Ansturms aber nicht die nötige Punktzahl erreichte, erwarb er zunächst ein "Holzhackerpatent" (Kleinmaschinist C2D) und fuhr auf D HERMAM SAUBER (IV) als 3. und diensttuender 2. Maschinist.
Zwar nicht zugelassen und 14 Tage verspätet, durfte er sich mit selbstorganisiertem Stuhl als Achtunddreißigster in die C5d des späteren Schulleiters "Krischan" Thomsen (Moby Dick) setzen. Dies geschah in der Hoffnung, dass bis zur Versetzung nicht mehr als 32 noch anwesend waren. Das gelang. Am 5. Februar 1960 waren C5 abgeschlossen, C4 ausgehändigt, Ersparnisse nach Heirat, Wohnungseinrichtung und Nachwuchsankunft erschöpft, und es ging wieder auf See. Eine Reise auf TS CAPRELLA und dann TS CAPSA bei der Deutschen Shell waren die nächsten Stationen als 3. Ing. Die Aufstiegsprognosen waren dort zwar nicht düster, aber grau.
Ein Zwischenspiel auf MS EDDA CORDTS (Bremen) als 2. Ing. war in 9 Tagen überwunden. Dann ging es als 2. Ing. für 14 Monate auf D DITMAR KOEL bei der "Hanseatischen".
Der Schulbesuch zum C6 gestaltete sich ähnlich wie beim C5. Der Abschluss war am 30.01.1963.
Zwei Tage später begann seine Dienstzeit als Montage- und Garantieingenieur bei der Wahodag (Wagner-Hochdruck-Dampfturbinen-Gesellschaft). Die Antriebsanlagen (Kessel und Turbinen) der Zerstörer der "Hamburg"-Klasse, der Mittelanlage des Schulschiffs DEUTSCHLAND, der Technischen Marineschule Kiel wurden montiert und erprobt und einige Sonderaufgaben (z. B. die Inbetriebnahme der Kesselanlage des Tonnenlegers KAPITÄN MEYER - heute Museumsschiff) wurden bewältigt.
Für eine angestrebte Lehrtätigkeit an der Schiffsingenieur- und Seemaschinistenschule waren damit die Bedingungen zwar fast erfüllt, aber es fehlte noch das (ausgefahrene) Befähigungszeugnis C6. So blieb nur die erneute aktive Seefahrt. Zunächst fuhr er als 2. Ing. auf MS KLAUS SCHOKE wieder bei der Hanseatischen und dann als Ltd. Ing. auf MS ADRIAMARE (Reederei Schüssler) - ein Kapitel für sich.
Leider konnte wegen der damaligen Rezession die für ihn vorgesehene Stelle an der Schiffsingenieurschule in Hamburg nicht mit ihm besetzt werden. So ging er dann zunächst zum Amt für Arbeitsschutz in die damalige "Aufsicht über Dampfkessel und Maschinen". Mit anderen Worten: Er wurde Kesselkriecher. Nebenbei durfte er sich in der Schulung von Kesselwärtern üben, die freie Mitarbeit zum Einfahren von Dampfanlagen bei Blohm & Voss beibehalten und seine gutachterliche Tätigkeit zum Betrieb von Anlagen weiterführen. 1968 erwarb er zur Selbstbestätigung durch eine Reihe von Prüfungen auch die volle Hochschulreife.
1971 bewarb er sich erneut um die Lehrtätigkeit in Hamburg und wurde angenommen. Als sogenannter Zehnkämpfer versuchte er vor allem Dampftechnik und Wärmewirtschaft verständlich zu machen und die ganzheitliche Sicht von Arbeitsplatz, Arbeit und Gesundheit zu fördern.
So entstanden neben der schulischen Arbeit zahlreiche Gutachten, Vorträge und Veröffentlichungen zum Betrieb von Anlagen, zum Arbeits- und Umweltschutz (auch Forschungsvorhaben), so wurden Seminare für verschiedene Träger entwickelt und durchgeführt und nicht zuletzt die Ausbildung von Fachkräften für Arbeitssicherheit bei der See-BG mitgestaltet. Die aktive Seefahrt wurde allerdings von Amts wegen eingeschränkt, so dass er zuletzt 1973 als Urlaubsvertreter für den Chief auf MS MAIN EXPRESS (Ahrenkiel) fuhr.
1979 wurde er zum stellvertretenden Sprecher des Fachbereichs gewählt. Jahrelang war er auch amtierender Sprecher, bis er die Nachfolge von Alfred Biskop als Leiter der Einrichtung übernahm. Dieses Amt führte er, bis die Gremien der Fachhochschule in ihrer unendlichen Weisheit beschlossen, die betriebstechnischen Studiengänge einzustellen. Eine Bewertung möchte er sich an dieser Stelle versagen.
1980 wurde er zum Professor ernannt, was er bis heute als nachteilig für sein Renommee als Schiffsingenieur empfindet und daher auf solche Titulierung verzichtet.
Nach 50 Semestern schied er 1996 aus dem aktiven Dienst aus. Er löste die betriebstechnische Sammlung (auch im Kesselhaus und in der Maschinenhalle), die Handbücherei und die relevanten Teile des Archivs auf bzw. sorgte für die sinnvolle Weiterverwendung der betreffenden Stücke.
Nach 35jährigem Wohnsitz in Lohbrügge hat er seit einigen Jahren einen selbst restaurierten Resthof in Stadum (Nordfriesland) zu seinem Domizil gemacht. Dort widmet er sich weiter seinen handwerklich fachlichen, aber zunehmend auch privaten Erinnerungen und Übungen (Schulaufsätze).
Verdutzte Schwarze Gang Aus der Feder von Gerd Peters
In der Schiffsreparatur gibt es nur dann Arbeit, wenn die Besatzung zu den erforderlichen Reparaturen keine Zeit oder keine Lust hat. Keine Zeit spricht für sich. Keine Lust heißt: Im Sommer werden Arbeiten im und auf dem Kessel vergeben, und im Winter darf eine Firma von Land Rohrleitungen an Deck und die Winden überholen. So hatte ich unangenehme Erinnerungen aus dieser Schiffsreparatur an den kleinen Hamburger Tanker MS JOHANN HEINRICH WEITERT.
Überrascht war ich daher von der sehr positiven Erinnerung unseres Sparks auf dem Dampfer BELLATRIX, wenn er von diesem kleinen Tanker erzählte. Unser Funker war oder ist (vielleicht lebt er noch in oder bei Cuxhaven) ein gemütlicher Mensch und vertrug sich mit jedem. Er meinte immer, bei seiner untergroßen Figur könnte er sich weder prügeln, noch könnte er schnell genug fortlaufen. Er sei daher zwangläufig zu einem verträglichen Menschen "verdammt". Und so ausgeglichen erzählte er auch von Menschen, Dingen und Ereignissen. An eines erinnere ich mich besonders.
Die JOHANN HEINRICH WEITERT hatte eine Charter für den Melasse-Transport von Barbados nach St. John in Neufundland. Da lag es nahe, von dem guten Barbados-Rum (weiß oder braun), den man damals günstiger an Land erstehen konnte als aus dem bordeigenen Bestand des Stewards, sich einen kleinen Vorrat für die kalten Tage in Kanada anzulegen. Auch die Schiffsführung hatte sich für Lotsen, Immigration, Agent und andere Geschäftspartner wohl ausreichend versorgt. So gerüstet kam man in St. John, einem damals kleineren Ort, an. Alles lief normal ab.
Nun war das Schiff allerdings neu auf dieser Route. Und frühere Melasse-Fahrer hatten wohl die Sehnsucht der Bevölkerung - und vor allem der nahen Kneipenwirtin - nach dem guten Barbados-Rum ausreichend stillen können. Aber die jetzige Besatzung war dieser Sehnsucht mit ihren Vorräten nicht gewachsen. Zudem war der Zoll aus Erfahrung schon kurz nach dem Lotsen an Bord gekommen und hatte versucht, einer größeren Rum-Verbreitung an Land einen Riegel vorzuschieben. Der Erfolg muss mäßig gewesen sein, denn die örtliche Presse berichtete von mehreren alkoholbedingten Ausfällen der arbeitenden Bevölkerung nach dem Einlaufen des Schiffes.
Die nächste Reise auf dieser Route stand an. Das Spiel wiederholte sich. Die Schwarze Gang kam noch früher und fast mit dem Lotsen an Bord und war besonders eifrig am Stöbern. Der Erfolg war aber ebenso gering wie bei der ersten Reise. Seltsamerweise tauchten aber im Ort dennoch viele Flaschen aus Barbados auf, seltsam deswegen, weil die JOHANN HEINRICH WEITERT das einzige Schiff auf dieser Route war.
Da weitere Reisen folgten, wurde für die Besatzung das Risiko, vom Zoll erwischt zu werden, zwangläufig größer. Es gab zwei Möglichkeiten, entweder man gab das lukrative Geschäft auf, oder man hatte ein sichereres Transportsystem für den begehrten Rum zu erfinden. Irgendjemand hatte die rettende Idee für den zweiten Fall.
Ein Teil des Proviants wurde immer in St. John an Bord genommen. Dazu gehörten auch viele Konserven. Kondensmilch, Obst, Gemüse bis hin zu Gurken, alles in Dosen. Irgendjemand brachte einen schrottigen Maschinenrest an Bord und die nächste Reise begann.
Nun herrschte rege Betriebsamkeit während der Ausreise. Die Maschine war jemandem aus der Erinnerung der ersten Nachkriegszeit als Dosenabschneide- und Verschließmaschine aufgefallen. Sie wurde jetzt für die Bearbeitung der benutzten Dosen eingesetzt, die ab sofort nicht mehr über die Kante entsorgt werden durften. Ich weiß nicht mehr, ob auch vorbereitete Deckel zum Lieferumfang der Maschine gehörten, oder ob durch härteres Walzen nachgeholfen werden mußte. Jedenfalls gelang es, eine größere Anzahl Dosen mit dem köstlichen Nass als Inhalt sicher zu verschließen.
Die Schwarze Gang kam auf dieser Reise bereits vor St. John mit dem Lotsen an Bord. Und an der Pier stand außerdem die Mounted Police. Beide wurden leider nicht fündig, obwohl sie sich redlich mühten. Allerdings hatte der eine oder andere Hafenarbeiter als "Geschenk" irgendeine Konserve ergattert, die eindeutig als "Canned in Canada" zu identifizieren war. Solches Verbringen an Land war nicht zu beanstanden. Dass dennoch wieder viele rumseelige Gestalten in St. John mit der Ankunft der JOHANN HEINRICH WEITERT in Verbindung gebracht wurden, war der Schwarzen Gang wie der Mounted Police unerklärlich, zumal die sonst üblichen Funde leerer Flaschen ausblieben.
Mindestens noch zwei Reisen soll es funktioniert haben, der Schwarzen Gang ein Schnippchen zu schlagen. Der Erfindungsreichtum der Seeleute war der Erkenntnis der Behördenbediensteten ja schon immer einen Schritt voraus. Sonst würde Schmuggeln auch keinen Spaß machen und es gäbe auch viel weniger zu erzählen.
amüsant und spannend wird über das Leben an Bord vom Moses bis zum Matrosen vor dem Mast in den 1950/60er Jahren, als Nautiker hinter dem Mast in den 1970/90er Jahren berichtet
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