Aus Band 1 der gelben maritimen Zeitzeugen-Buchreihe "Seemannsschicksale"
Klaus Brandenburgwurde am 13.12.41 in Greifswald geboren. Er entstammt einer Bauernfamilie von der Insel Usedom in Pommern. Zusammen mit zwei Brüdern wuchs er in einer geordneten Familie auf. Das spürt man noch heute an seinem offenen und ehrlichen Wesen. Schon als Schüler verschrieb er sich dem Boxsport und hatte schon früh in der Klasse des Fliegengewichts Erfolge. Im Wege der DDR-Sportkader-Förderung wurden ihm alle Wege geöffnet. Neben intensivem Training konnte er eine Ausbildung als Maler und Lackierer absolvieren. Über die Sportförderung warb man ihn als Freiwilligen zur Volksarmee, wo er sich auch weiterhin intensiv seinem Training widmen konnte.
Nach der Armeezeit wurde ihm die Möglichkeit eröffnet, ein Seefahrtbuch für die Kutter-Fischerei zu erhalten, was nicht jedem DDR-Bürger gegeben war. So fing er denn auf einem mit vier Mann besetzten Kutter Fisch in der Ostsee. Bei Schlechtwetter durfte man auch in Häfen des kapitalistischen Auslandes Schutz suchen. Bei entsprechend langer Liegezeit gab es dann sogar die heiß begehrten Devisen, so dass die Kapitäne jede sich bietende Schlechtwetterlage für einen solchen Schutzaufenthalt nutzten. Als eines Tages im Jahre 1964 zum schlechten Wetter noch ein Maschinenschaden kam und man auf Bornholm festmachte, entwendete er sein beim Kapitän unter Verschluss liegendes Seefahrtbuch, ging an Land und bat um Asyl. Allen Versuchen des Kapitäns, ihn wieder an Bord zu schnacken, widerstand er.
Über Kopenhagen und Lübeck kam er in die Bundesrepublik, durchlief das Notaufnahmeverfahren in Gießen und arbeitete einige Monate in Wiesbaden als Lackierer. Dort las er in der BILD-Zeitung eine Anzeige der „Nordsee“ mit dem Motto: „Die letzten Wikinger fahren in der Hochseefischerei!“ Auf seine Bewerbung schickte man ihm sofort eine Fahrkarte nach Cuxhaven. Sein weiterer Lebensweg war damit entschieden: 20 folgende Jahre lang fing er Fisch. Auf einem Kohlesteamer mit dem Namen FDS „Karlsruhe“ fuhr er die ersten drei Monate als Leichtmatrose. Auf Vorschlag seines Bestmanns beförderte ihn sein Kapitän dann zum Matrosen.
Klaus war auch als Netzmacher tätig. Nach 27 Monaten Fahrzeit als Matrose gab es dann wieder mehr Heuer, eben als „Matrose 27“. Eine geregelte Berufsausbildung zum Matrosen kannte man damals noch nicht. Befördert wurde nur bei guter Leistung. Er fuhr dann noch auf weiteren Kohle-Fischereidampfern im Gebiet der Nordsee, der Färöer und vor Island: FDS „Witten“, „Duisburg“, „Friesia“, Schiffe mit 21 Mann Besatzung. „Das waren noch richtige Seefahrer! Ich war wohl oft der einzige, der nicht aus dem Gefängnis kam. Vadder Mohn, der Knastaufseher aus Cuxhaven, sorgte oft dafür, dass die unter chronischem Personalmangel leidenden Fischereischiffe auslaufen durften. Die Wasserschutzpolizei brachte die Jungs an Bord und holte sie nach der Fangfahrt wieder runter.“ In den Fischräumen wurde zunächst noch Kohle gebunkert. Wenn diese verfeuert war, wurden die Räume gewaschen und füllten sich für die Heimreise mit Fisch. Die Mannschaft teilte sich unter der Back zwei große Räume mit Doppelstockkojen. Dort rasselten nicht nur die Ankerketten, man fand bei Schlechtwetter durch das Stampfen des Schiffes auch kaum Ruhe. In der Messe wärmten sich die Männer an einem Kanonenofen, über dem die nassen Socken zum Trocknen hingen. Als das erste große Fabrikfangschiff, der Heckfänger FMS „Bonn“, in Dienst gestellt wurde, war Klaus Brandenburg 14 Monate lang bei der 42köpfigen Stammbesatzung und auf Jagd nach Kabeljau. Man fuhr auf diesen Fabrikschiffen 12/12-Wache: 12 Stunden Arbeit, 12 Stunden Freiwache. In diesen Freiwachen bastelte er viel, er machte Wandbretter-Knotenarbeiten, sogenannte „Seemannsgräber“. In der Heringssaison im Sommer fuhren sie mit 70 Mann. Er verdiente gutes Geld, verlebte es aber auch meistens schnell wieder. So fuhr er zusammen mit einigen Kollegen mal eben für 600 Mark mit dem Taxi von Cuxhaven nach Frankfurt, um festzustellen, dass es dort auch nicht interessanter war als an der Küste. „Dafür hätten wir uns einen maßgeschneiderten Anzug kaufen können! Wenn wir uns einkleiden wollten, brauchten wir kein Geld. Beim Ausrüster hatten wir immer Kredit. Wir brauchten nur unterschreiben und der holte sich sein Geld bei der Reederei. Ich fuhr damals ein dickes Auto... und die Frauen nahmen mich aus.“
Zwischendurch versuchte er sich auch mal als Matrose auf einem Küstenmotorschiff. Über den Jahreswechsel 1969/70 nahm er vier Monate lang an einer Erdöl-Forschungsexpedition auf M/S „Jason“ vor Formosa teil.
Dann arbeitete Klaus bis 1978 wieder in der Fischerei bei den Reedereien Pickenpack und Cranzer in Hamburg, unter anderem auf den Fangschiffen „Cap Wallöe“ und „Cap Nord“. Von der Reederei wurde ihm eine nautische Ausbildung auf Kosten der Firma angeboten. Heute bedauert er, daß er damals ablehnte. „Ich dachte, du hast zwei gesunde Hände, was sollst du da mit dem Patent?!“
Im Winter 1978/79 nahm er auf M/S „Julius Fock“, einem aufgerüstetem Heckfänger, an einer acht Monate dauernden staatlichen Forschungs-Expedition zusammen mit der „Anton Dohrn“ in die Antarktis teil.
Zweck der Reise war die Klärung der Frage, ob Krill (Nahrung der Wale) zu Speisezwecken zu verwenden ist. Das Forschungsergebnis fiel negativ aus, was sicherlich dazu beitrug, daß die großen Meeressäuger noch nicht ganz ausgestorben sind. Bei einer achtmonatigen Fangreise vor Argentinien wurde Seehecht gefischt.
1984 zog er sich auf einem Schiff der Hanseatischen Hochseefischerei Bremerhaven bei einen Bordunfall einen Innenbandriss zu. Er wurde vom Arzt des Fischereischutzbootes „Meerkatze“ ins Krankenhaus nach Godthab auf Grönland gebracht und musste längere Zeit aussetzen.
Dann fuhr er 2½ Jahre lang bei Reederei Essberger auf den Chemikalientankern „Ludcie“, „Eduard“ und „Hella“ mit jeweils etwa viermonatigen Fahrzeiten.
1988 hatte er sein letztes Schiff. Er erkrankte an plötzlichem Haarausfall und an einer Lungenembolie, vermutlich Auswirkungen toxischer Einflüsse während der Arbeit auf den Chemikalientankern. Außerdem fand er sich in einem seelischen Tief, nachdem er bei der Rückkehr von einer Seereise feststellen musste, dass seine Freundin, mit der er mehrere Jahre zusammengelebt hatte, ihn „gelinkt“ hatte. „Die Frau war fort und die Bude war leer. Das habe ich bis heute noch nicht verkraftet!“ Er ist darüber spielsüchtig geworden. „Ich komme an keinem Daddelkasten mehr vorbei, dabei weiß ich genau, dass ich letztlich immer verlieren werde, auch wenn ich zwischendurch mal ein paar Mark gewinne; das ist, als wenn ich gegen einen zu hoch eingestellten Schachcomputer spiele.
Seit etwa vier Jahren vertröstet man mich, wenn ich mich um einen neuen Job bewerbe oder winkt ab, wenn man mein Alter hört.“
1968 wohnte er zum erstenmal im Seemannsheim am Wolfgangsweg in Hamburg. Ab 1972 stieg er bei Landaufenthalten immer wieder im Seemannsheim am Krayenkamp ab. Das Seemannsheim war jahrelang sein letzter Halt. Hin und wieder konnte er im Hafen einen kleinen Job finden, ansonsten musste er von Sozialhilfe leben. Seine Gesundheit hat sich zwar wieder stabilisiert, aber ein Schiff ist nicht mehr zu finden: „Die suchen jetzt Jüngere und möglichst zu Billigheuern aus Fernost. Da gibt es keine Chancen mehr für mich mit meinen 50 Jahren.“ Eines Tages konnte der Heimleiter ihm einen kleinen Aushilfsjob vermitteln. Jemand hatte an seinem Privathaus einige Malerarbeiten zu verrichten. Aus dem Zweitageengagement wurde ein Dauerarbeitsplatz in seinem alten Beruf. Er konnte in ein nahegelegenes Männerwohnheim ziehen und sich dort sein kleines Zimmer nach seinen Bedürfnissen einrichten. Hin und wieder kommt er noch zum Frühstück oder zu einem Schnack mit Kollegen in das Restaurant des Seemannsheimes.
amüsant und spannend wird über das Leben an Bord vom Moses bis zum Matrosen vor dem Mast in den 1950/60er Jahren, als Nautiker hinter dem Mast in den 1970/90er Jahren berichtet
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